von Děčín (CZ) nach Rechenberg-Bienenmühle (D)
66km
03.10.2024 - 05.10.2024
Tag 1
von Děčín (CZ) nach Petrovice (CZ)
24,3km
Bergauf 950m
Bergab 530m
Dauer 6h58min
Schneller als gedacht plane ich meine 2. Etappe meiner Tour "von Zittau nach Gibraltar". Da aktuell der Anfahrtsweg noch nicht zu weit ist, lohnt es sich noch, auch für kürzere Strecken aufzubrechen. Somit habe ich den Feiertag am 3. Oktober genutzt und habe mich noch einmal für 3 Tage auf Reisen begeben.
Die 2. Etappe meiner Tour "Von Zittau nach Gibraltar" startete nahtlos an dem letzten Punkt der 1. Etappe, am Bahnhof in Děčín. Angereist bin ich wieder mit dem Zug vom Hauptbahnhof in Dresden. Leider hatte mein Zug etwas Verspätung, was mir anfangs etwas Sorgen machte. Ich hatte 24km vor mir und wusste, dass die Sonne gegen 18:30 Uhr untergeht und hoffte nun, dass ich es vor Einbruch der Dunkelheit zu meiner Unterkunft schaffte. Meine Stirnlampe habe ich natürlich immer dabei, aber alleine im Dunkeln laufen, bereitete mir etwas Sorgen. Da meine Begleitung krank geworden war, musste ich kurzfristig alleine gehen. Das war das erste Mal für mich, dass ich alleine über mehrere Tage unterwegs war. Ich war sehr gespannt, wie mein Geist damit umgehen würde.
Der Wetterbericht hatte leider für den 1. und 2. Tag nur Regen voraus gesagt und so wurde ich in Děčín von grauen Wolken und leichten Regen begrüßt. Nach ein paar Metern durch die Stadt ging es direkt steil bergauf. Neben dem Klettersteig "Schäferwand" in Děčín erreichte ich über die Teufelsschlucht den Wanderweg Ostrov-Děčín. Trotz Nebel und Nieselregen war ich fasziniert von den wunderschönen bunt gefärbten Wäldern. Die Birkenwälder und der Farn boten mir ein buntes Herbstparadies. Nach ca. 8km erreichte ich die erste Schutzhütte und machte eine kurze Rast für einen kleinen Snack. Ich habe mich auch auf dieser Wanderung wieder für Nuss- und Proteinriegel und Frucht-Quetschies entschieden.
Nach der Pause ging es für mich über einen immer felsiger werdenden Weg zu meinem ersten Highlight: den Schneeberg. Der Schneeberg-Turm war in Nebel gehüllt und bot einen mystischen Anblick. Auf Grund des Nebels hatte ich leider keinen Ausblick von der Grenzplatte. Der Regen wurde inzwischen immer stärker und somit ging ich zügig weiter, eingehüllt in meine Regenkleidung. Nach ca. 15km erreichte ich die nächste Grenzplatte. Diesmal hatte sich der Nebel etwas gelichtet und ich konnte einen Blick auf Ostrov erhaschen und das Wirtshaus Hostinec pod Císařem. Als ich am Wirtshaus ankam, meldete sich ein kleines Hüngerchen und die Lust auf eine heiße Schokolade und Palatschinken. Ich suchte mir einen gemütlichen Platz und bestellte bei der Kellnerin. Leider gab es keine heiße Schokolade und auch keinen Palatschinken :-( Daraus wurden dann ein türkischer Kaffee und Gulaschsuppe. Beides sehr lecker und wohltuend warm in meinem Magen, der sich darüber freute :-)
Gestärkt und aufgewärmt ging es für mich weiter in Richtung Tyssaer Wänden. In einer kleinen Felsenstadt vor den Tyssaer Wänden schaute ich mir noch einen Gedenkstein an, welcher als Denkmal für verunglückte Bergsteiger im Umkreis der Tyssaer Wände errichtet wurde. Beim Anblick der vielen Schilder geht mir durch den Kopf, wie froh ich darüber bin, dass ich Gesund bin und diese Reise machen kann. Nach insgesamt 18km erreiche ich die Tyssaer Wände. Schwer beeindruckt von den riesigen Felsformationen gehe ich hindurch. Da ich nun doch gut in der Zeit lag, konnte ich mir hier Zeit lassen und den Anblick auf mich wirken lassen. Anschließend ging es durch den Ort Tisá in Richtung Petrovice, wo meine Unterkunft war. Die letzten 2,5km musste ich leider auf der Landstraße laufen. Bei jedem Auto bin ich zur Seite auf den nassen Grünstreifen gegangen, um nicht von den Fahrzeugen erfasst zu werden. Bei Wind und Regen keine schöne Sache, da es aufhält. Aber Sicherheit geht vor.
Überpünktlich hatte ich meine Unterkunft Penzion Orion um 16:30 Uhr erreicht. Ich wurde sehr nett begrüßt und auf mein Zimmer begleitet. Ich kannte natürlich die Bilder vom Zimmer vom Buchungsportal, aber vor Ort war ich positiv überrascht. Es war sehr persönlich und individuell eingerichtet. Man sah, dass hier jemand mit Liebe und Leidenschaft dekoriert hat. Ich entledigte mich meiner nassen, aber nicht durchgeweichten, Wanderkleidung und gönnte mir eine warme Dusche. Erfrisch und umgezogen begab ich mich eine Etage tiefer ins Restaurant. Bei Glühwein und einem leckeren Abendessen, schrieb ich meine noch frischen Eindrücke in mein neu erworbenes Reise-Tagebuch. Das Buch hatte ich im Internet entdeckt und das Cover hat nach mir gerufen: "Andere müssen zur Therapie, ich muss einfach nach Gibraltar". Zuerst dachte ich, es sei ein Roman, aber nein: leere Seiten, die nach meinem eigenen Roman rufen :-) Ich genoss die Zeit im Restaurant mit den vielen Menschen um mich herum, nachdem ich den ganzen Tag alleine unterwegs war. Anschließend hieß es für mich, früh schlafen gehen. Morgen wartete ein weiter anstrengender Tag auf mich.
von Petrovice (CZ) nach Geising (D)
19,4km
Bergauf 560m
Bergab 480m
Dauer 5h00min
von Geising (D) nach Rechenberg (D)
22,5km
Bergauf 520m
Bergab 540m
Dauer 4h50min
Die Nacht im wundervollen Federbett habe ich sehr genossen. Ich hatte einen tiefen und erholsamen Schlaf. Da die Heizung in meinem Zimmer aus war, hatte ich ein wenig Bammel, das meine nasse Kleidung nicht trocken wird über Nacht. Aber die Temperatur hat ausgereicht, auch meine Schuhe sind über Nacht getrocknet. Ich bin wieder früh wach geworden und konnte so bereits vor dem Frühstück alle meine Sachen zusammenpacken, sodass ich nach dem Essen direkt losziehen kann. Ich genieße das Frühstück und lasse mir erneut einen heißen Tee in meinen Thermobecher füllen. Nachdem ich meine Sachen vom Zimmer geholt und den Schlüssel abgegeben habe, wünscht mir der Chef eine gute Weiterreise und alles Gute. Als ich das Hostel verlasse, regnet es bereits wieder, aber das schreckt mich am dritten Tag in Folge nicht mehr ab. Ich laufe durch Geising in Richtung Georgenfelder Hochmoor. Nach nur einem Kilometer folgt ein Anstieg von 12%. Es geht entlang der Scharspitze durch Wald und Nebel. Unterwegs sehe ich Pferde auf der Wiese stehen. Auch sie müssen dem Wind, Regen und Nebel trotzen. Ich fühle mit ihnen.
Nach insgesamt 5 km habe ich den höchsten Punkt der heutigen Tour mit 877 m erreicht. Ich bin am Georgenfelder Hochmoor angekommen. Die kleine Gaststube „Café am Hochmoor“ hat bereits geöffnet. Da ich allerdings gerade erst gestartet und noch satt vom Frühstück bin, kehre ich nicht ein. Direkt hinter dem Café steht ein Schneehöhenzaun. Ich finde es sehr interessant, wie sich die Schneehöhen in den vergangenen 50 Jahren entwickelt haben. Ich laufe weiter entlang des Hochmoors. Aussicht habe ich auch heute leider wieder keine. Ich sehe eine Tafel, auf der bis zu 54 km entfernte Berge abgebildet ist. Der Anblick des Fotos wirkt ein wenig wie Hohn für mich. So mystisch der Anblick der von Nebel verhangenen Wälder auch ist, über eine Bergspitze in der Ferne würde ich mich ebenfalls freuen…
Ich gelange wieder in den Wald und passiere eine kleine morsche Brücke. Der Anblick des reißenden Großen Warmbachs, der grünen Wiesen und bunten Bäume erfüllt mein Herz mit Freude und Dankbarkeit, dass ich all dies sehen und erleben darf. Ich genieße die Ruhe und Abgeschiedenheit. Entlang des Großen Warmbachs folge ich dem Kreuzweg und erreiche nach insgesamt 9 km die Wilde Weißeritz. An einer großen Brücke fließen der Große Warmbach und die Wilde Weißeritz bei Rehefeld zusammen. Ich überquere die Brücke und habe einen kurzen Anstieg von 7% entlang des Hemmschuhs. Danach geht es auf dem Grenzweg immer entlang des Hirschbaches. Er schlängelt sich durch das Tal und strahlt Ruhe und Kraft aus. Ich bin fasziniert von dem satten Grün, das mir die Wiesen, das Moos und die Bäume in ihrer ganzen Pracht bieten.
Nach ca. 13 km erreiche ich auf der Hochzeitsallee den Skibahnhof Neuhermsdorf. Auf dieser Allee können frisch vermählte Paare einen Baum pflanzen. Der erste wurde 1997 gepflanzt. Ab hier verläuft parallel zum Wanderweg der ehemalige Bahndamm. Immer wieder sieht man Bahnbrücken, die einen beeindruckenden Anblick bieten. Ich komme an einer Schutzhütte vorbei und beschließe, hier eine Mittagspause zu machen. Als ich auf die Uhr schaue, stelle ich überrascht fest, dass ich sehr gut in der Zeit liege. Da ich den ganzen Tag über gut befestigte Wege hatte und nur wenige steile Anstiege, bin ich viel schneller vorangekommen als erwartet. Ich habe noch nur 8 km vor mir, und es ist noch nicht einmal 12 Uhr. Geplant war, dass ich den Zug um 16:38 Uhr nehme. Nun zeichnet sich ab, dass ich viel eher da sein werde. Ich freue mich auf zu Hause und laufe beschwingt weiter.
Bei Kilometer 16 komme ich an den Punkt, an dem der Moldavský Potok zur Freiberger Mulde wird. Ich laufe weiter und sehe auf meiner Routenführung, dass ich kurz vor meinem letzten Aufstieg bin. Mit bis zu 13% Steigung durchquere ich den Fischerwald. Ich erreiche die Fischerbaude und überlege, ob ich einkehre und noch einmal Rast mache oder ob ich mich beeile und versuche, einen früheren Zug zu nehmen. Da nun meine Sehnsucht nach meinen Lieben zu Hause immer größer wird, entschließe ich mich, weiterzulaufen. Am Waldrand geht es auf der Alten Landstraße weiter in Richtung Rechenberg-Bienenmühle. Als ich auf die Uhr schaue und meine verbleibenden Kilometer prüfe, stelle ich fest, dass ich den Zug wahrscheinlich sehr knapp verpassen werde. Da ich keine Stunde auf den nächsten warten möchte, nehme ich meine Beine in die Hand. Es geht jetzt wieder bergab, und ich fange langsam an zu rennen. Mein Lächeln im Gesicht wird immer größer, als ich feststelle, dass ich nach drei Tagen am Stück Wandern immer noch in der Lage bin zu rennen und das mit etwa 10 Kilo Gepäck auf dem Rücken.
Als ich aus dem Wald komme und die ersten Häuser passiere, schaue ich noch einmal auf die Uhr: Der Zug kommt in 10 Minuten. Nun renne ich durchs Dorf und siehe da, als ich am Bahnhof ankomme, habe ich noch 3 Minuten Zeit. Ich nehme meinen Rucksack ab, schiebe meine Wanderstöcke wieder zusammen und trinke einen Schluck. Ich kann tatsächlich, statt 16:38 Uhr, bereits um 13:38 Uhr fahren. Meine Freude auf zu Hause und meine gute Leistung – 22 Kilometer in 5 Stunden geschafft zu haben– zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Der Gedanke steigt in mir auf, dass ich so etwas nur alleine machen kann. Ich habe für mich die Entscheidung getroffen, zügiger zu laufen, um eher fahren zu können. Wäre das auch mit einer Begleitung möglich gewesen? Ich habe die drei Tage sehr genossen. Die Strecke war, trotz Regen und Nebel, oder vielleicht auch gerade deswegen, sehr schön. Der Herbst hat alles in bunte Farben getaucht. „Das lebendige Grün und das leuchtende Orange haben meine Verbundenheit mit der Natur auf wunderbare Weise vertieft.
Mein Fazit dieser Reise:
Meine anfängliche Zurückhaltung, alleine wandern zu gehen, hat sich in ein Gefühl der Stärke und Unabhängigkeit verwandelt. Obwohl ich befürchtet hatte, dass meine Gedanken mir Angst machen könnten, war es genau das Gegenteil: Fröhliche Lieder gingen mir durch den Kopf und hielten mich in einer positiven Stimmung. Bis auf heute Morgen hatte ich kein Heimweh. Selbst das Alleinsein im Restaurant hat bei mir keine Gefühle der Einsamkeit ausgelöst. Während dieser Zustand für viele Menschen alltäglich ist, war er für mich eine neue Erfahrung. Ich freue mich darüber, wie ich derzeit lerne, immer mehr mit mir selbst in Einklang zu kommen und meinen inneren Frieden zu finden – ein Prozess, der mich erfüllt und mir zeigt, wie viel Freude es bringen kann, Zeit mit sich selbst zu verbringen. Ein wesentlicher Faktor für meine persönliche Entwicklung sind die Einsichten, die ich in den letzten Jahren gewonnen habe. Aktuell beschäftigt mich intensiv das Thema Weiterbildung, das mir neue Perspektiven und Ziele für meine Zukunft eröffnet. Ich habe begonnen, eine tiefere Dankbarkeit für die kleinen, oft übersehenen Dinge im Leben zu entwickeln. Obwohl ich von Natur aus eine positive Grundhaltung habe, erlebe ich jetzt einen bewussteren Umgang mit meinen Gedanken und Handlungen. Ich arbeite daran, meine Selbstwahrnehmung zu schärfen und neue, unterstützende Strukturen in meinem Leben zu etablieren.
Danke, dass ich da bin. Danke, dass ich leben darf. Danke, dass ich frei sein darf. Danke!
"Ein gutes Reisetagebuch ist wie ein Tagebuch der Seele
und du bist der Autor deines eigenen Abenteuers."